Stimmen zum Thema „Lehrkräfte Meldeportal“

Hier haben wir einige Stimmen aus Presse und von Parteien zusammengefasst:

 

SPD-GENERALSEKRETÄR ALEXANDER SAIPA:

DIE AFD NUTZT DIE METHODEN DER NAZIS UND IHRER BLOCKWARTE

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

zur aktuellen Diskussion über die Pläne der niedersächsischen AfD, eine Plattform einzurichten, auf der politisch missliebige Lehrkräfte gemeldet werden sollen, erklärt Alexander Saipa, Generalsekretär der SPD Niedersachsen:

„Nach der AfD in Hamburg und Berlin will jetzt auch die AfD in Niedersachsen eine Online-Plattform aufbauen, auf der Lehrerinnen und Lehrer gemeldet werden sollen, die eine andere politische Haltung vertreten als die rechtspopulistische Partei. Die AfD orientiert sich an Methoden, die wir von den Nazis und ihren Blockwarten kennen. Sie will Schülerinnen und Schüler als Denunzianten instrumentalisieren, um Lehrkräfte anzuschwärzen und an den Pranger zu stellen.

Wer jetzt noch die AfD unterstützt, der kann davon ausgehen, dass bald auch die eigenen Kolleginnen und Kollegen, die Nachbarn oder Bekannte und Freunde als Meldegegenstände folgen werden. Wer das immer noch nicht glauben will, der sollte dringend ein Geschichtsbuch zur Hand nehmen oder Zeitzeugen befragen. Die Nazi-Diktatur und auch die SED-Herrschaft haben durch die organisierte Bespitzelung versucht, ihre Unrechtsregime zu sichern. Dies ist zum Glück immer dort zum Scheitern verurteilt, wo Menschen freiheitliche und demokratische Werte vertreten. Deswegen müssen wir uns solchen Methoden von Anfang an entgegenstellen. Die SPD steht entschlossen hinter den niedersächsischen Lehrerinnen und Lehrern.“

Pressekontakt:

Axel Rienhoff

Stv. Landesgeschäftsführer und Pressesprecher

SPD Landesverband Niedersachsen

Odeonstraße 15/16

30159 Hannover

Telefon: +49 (0) 511 1674-226

Mobil: +49 (0) 151 46 72 11 82

E-Mail: axel.rienhoff@spd.de

Fax: +49 (0) 511 1674-211

 

 

Frankfurter Rundschau

 

fD-„Lehrer-Pranger“„Ekelhafte Gesinnungsschnüffelei“

Die AfD Hamburg richtet eine Plattform ein, auf der Schüler ihre Lehrer melden können, wenn diese sich politisch äußern. Andere Bundesländer wollen dem Beispiel folgen.

10.10.2018 08:20 Uhr

Die AfD will neben Hamburg noch inweiteren Bundesländern Plattformen einrichten, auf denen Schüler politische Äußerungen ihrer Lehrer melden können. Negative Aussagen der Lehrkräfte verstoßen aus Perspektive der Rechten gegen das Neutralitätsgebot. Schüler werden entsprechend aufgefordert, der Partei im Falle Rückmeldung zu geben.

„Neutrale Schulen Hamburg“ nennt die AfD ihre Seite, die es Nutzern seit September ermöglicht, der AfD all jene Lehrer oder auch Schulpersonal zu nennen, die möglicherweise nicht neutral genug den Politikunterricht aufbereitet haben. Auch anonyme Meldungen werden akzeptiert. Dass hier der Willkür Tür und Tor geöffnet ist, scheint die Partei einkalkuliert zu haben, bietet dieses Portal doch immerhin jedem Schüler die Möglichkeit, es einem verhassten Pädagogen einmal so richtig zu zeigen.

Geruch einer Denunziations-Hotline

Mancher sieht in dem Portal entsprechend eine Denunziations-Hotline, auf der Schüler Lehrer verpetzen, weshalb die Idee nicht überall gut ankommt. So kritisierte der grüne baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann, dass jetzt „sozusagen offenes Denunziantentum organisiert“ würde. Er sprach gar von „Bausteinen ins Totalitäre“. Kultusminister Christian Piwarz (CDU) sprach gar von „ekelhafter Gesinnungsschnüffelei, wie man sie noch aus Zeiten der Nazi-Diktatur oder von der Stasi kennt“. Scharfe Kritik übten auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und der Deutsche Lehrerverband. „Es passt ins Bild, dass eine Partei, die Andersdenkende ausgrenzen will, jetzt Plattformen schafft, auf denen man Leute mit anderen Meinungen denunzieren kann“, äußerte etwa Ilka Hoffmann vom GEW-Vorstand.

AfD im Bund verteidigt Plattform
Die Bundestags-AfD hingegen kann die kritischen Töne nicht nachvollziehen. „Das hat mit Denunzierung gar nichts zu tun“, so der parlamentarische Geschäftsführer Bernd Baumann. Immerhin sei die Mehrheit der Journalisten links oder links-grün eingestellt. „An Schulen dürfte das ähnlich sein.“ In Schulen würden teils „ganz harsche Bilder der AfD gezeichnet, als radikal, unmenschlich, kalt“.Nach Informationen der Funke Mediengruppe gibt es nach der Hamburger Bürgerschaftsfraktion in neun Ländern Überlegungen, eine entsprechende Seite einzurichten: in Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Sachsen-Anhalt. (mit dpa)

Frankfurter Rundschau

„Neutrale Schule“

Was Juristen zum AfD-Meldeportal für Lehrer sagen

Die AfD in Hamburg hat ein Online-Portal geschaltet, in dem Schüler Lehrer melden können, die sich politisch äußern. Juristen geben Entwarnung: Solche Meldungen hätten wahrscheinlich keine dienstrechtlichen Folgen.11.10.2018 15:07 Uhr

Kontroverse Inhalte müssten im Unterricht zwar sachlich und ohne Werbung für eine bestimmte parteipolitische Meinung dargestellt werden. „Eine vollständige politische Enthaltsamkeit wird von Lehrern aber nicht verlangt“, sage Avenarius. Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) hatte zuvor die Meldeportale gegen AfD-kritische Lehrer scharf kritisiert. „Organisierte Denunziation ist ein Mittel von Diktaturen“, sagte sie der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Donnerstag).

„Ein solches Portal ist der absolut falsche Weg“

„Etwaige Meldungen werden an die jeweiligen Schulaufsichtsbehörden weitergegeben. Diese prüfen sie dann mit der gebotenen Sachlichkeit“, sagte Justiziar Avenarius. „Wer sich beschweren will, hat dazu schon jetzt die Möglichkeit“, sagte Avenarius. Jede Schulaufsichtsbehörde, in der Regel sind das die Kommunen, müsse solchen Beschwerden über Lehrer nachgehen. „Ein solches Portal ist der absolut falsche Weg.“ Stelle die Behörde aufgrund einer solchen Meldung tatsächlich ein Fehlverhalten fest, könne sie ein Disziplinarverfahren einleiten. Der Deutsche Philologenverband vertritt hauptsächlich die Interessen von Lehrern an Gymnasien, Gesamtschulen und Hochschulen.In der Berufspraxis komme es sehr selten vor, dass Gewerkschaften Lehrer wegen des Vorwurfs der Verletzung der weltanschaulichen Neutralität beraten. Avenarius spricht von ein paar Fällen über einen Zeitraum von mehr als 15 Jahren. Ähnlich ist es auch bei der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Volker Busch, seit 26 Jahren Justiziar bei der GEW, kennt ebenfalls nur ein paar Fälle.

Die GEW rät ihren Mitgliedern, sich mit Hilfe der seit Mai geltenden EU-Datenschutzgrundverordnung gegen eine Meldung in einem solchen Portal zu wehren. Es gebe ein Informationsrecht. Lehrer könnten bei der AfD Auskunft über ihre gespeicherten Daten und dann auch das Löschen verlangen. Allerdings müssten Lehrer selbst nachfragen, ob Daten über sie gespeichert seien.

Die AfD-Bürgerschaftsfraktion in Hamburg hat im September ein Online-Portal mit dem Titel „Neutrale Schule“ geschaltet, in dem Schüler Lehrer melden können, die sich politisch äußern. In Brandenburg, Berlin, Sachsen und Baden-Württemberg sollen ähnliche Plattformen eingerichtet werden. Auch die AfD-Fraktionen in Bayern, Bremen, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt ziehen Berichten zufolge solche Meldeportale in Erwägung. Die Kultusministerkonferenz (KMK) wollte sich auf ihrer Tagung, die am Donnerstag in Berlin begonnen hat, mit der AfD-Meldeplattform befassen. (epd)

 

Nordwest Zeitung 11.10.2018

Das Thema: Meldeportal der AFD

Lehrer sollen eingeschüchtert werden

NWZ-Interview mit Heinz-Peter Meidinger (Lehrerverband)

Von Andreas Herholz, Büro Berlin

Frage: Die AfD ruft Schüler dazu auf, politische Äußerungen auf Online-Portalen zu melden. Wie bewerten Sie das?

Meidinger: In zwei Bundesländern, Hamburg und Berlin, sind bereits solche Melderegister eingerichtet worden. Da können sich Schüler anonym melden. Jetzt sollen auch weitere Bundesländer wie Bayern folgen. Wir verurteilen solche Aufrufe und sehen das sehr kritisch. Das sind klare Einschüchterungsversuche der Lehrerschaft. Da werden Minderjährige dazu aufgefordert, Lehrer anzuschwärzen. Das ist ein Aufruf zur Denunziation. Lehrer sollen davon abgehalten werden, sich kritisch mit der AfD auseinanderzusetzen. Die AfD will sich mit dieser Kampagne selbst als Opfer stilisieren. Das ist die übliche Strategie, die Märtyrer-Rolle einzunehmen. Jeder kann in diesen Portalen schreiben, was er will. Es gibt keine Qualitätskontrolle. Es ist völlig unseriös und führt auch dazu, dass tatsächliche Konfliktfälle noch schwieriger zu klären sein werden.

Frage: Aber für Lehrerinnen und Lehrer gilt im Unterricht das Neutralitätsgebot…

Meidinger: Natürlich muss es bei der Vermittlung des Lehrstoffes um Ausgewogenheit und Neutralität gehen. Gerade bei der politischen Bildung darf auch die Lehrkraft durchaus ihre politische Meinung einbringen. Allerdings mit der gebotenen Zurückhaltung und deutlich erkennbar. Wenn etwa ein AfD-Politiker das Holocaust-Mahnmal als „Denkmal der Schande“ bezeichnet, darf ein Lehrer nicht nur widersprechen, er sollte es sogar ausdrücklich. Das Neutralitätsgebot für Lehrerinnen und Lehrer im Unterricht heißt nicht, dass Lehrer nicht ihre politische Meinung äußern dürften. Sie müssen es nur ausdrücklich kenntlich machen. Wir wollen unsere Schülerinnen und Schüler zu mündigen Staatsbürgern erziehen. Das politische Bildungsprinzip gilt für alle Fächer. Die deutsche Lehrerschaft geht mit ihrer hohen Verantwortung, die sie hier hat, sehr ordentlich um. Die AfD setzt vor allem auf Einschüchterung und will Lehrkräfte daran hindern, sich kritisch zu äußern.

Frage: Wie werden Sie auf den Aufruf reagieren?

Meidinger: Diese Aktion der AfD wird wohl nach hinten losgehen. Die Plattformen, die es bereits in Hamburg und Berlin gibt, werden bereits von satirischen Beiträgen, auch von Kommentaren von Lehrkräften, geflutet. Denunziation und Einschüchterung waren vielleicht mal die Ziele. Aber das gelingt dort bisher nicht. Wir gegen da ganz selbstbewusst damit um. Wenn bei 760 000 Lehrerinnen und Lehrern wirklich einmal in Einzelfällen Grenzüberschreitungen und nicht hinnehmbare Äußerungen gibt, sollten diese zwischen Lehrern, Schulleitung und Eltern geklärt werden. Das funktioniertauch. Alles andere ist unseriös und unverantwortlich. Lehrkräfte, die hier angeschwärzt werden, haben selbstverständlich Anspruch auf Rechtsschutz.

Hinweis: Heinz-Peter Meidinger ist Vorsitzender des Deutschen Lehrerverbandes

Quelle: Nordwest-Zeitung vom 11.Oktober 2018, Seite 2

Nordwest Zeitung vom 13.10.2018

AFD-POLITIKER HARM RYKENA
Was der Politiker und Lehrer zu den Meldeportalen seiner Partei sagt
Die AfD möchte, dass Eltern und Schüler Verstöße von Lehrern gegen das Neutralitätsgebot an Schulen online melden. Fragen dazu an Harm Rykena (55), AfD-Landtagsabgeordneter im Wahlkreis Oldenburg-Land und vorher Grundschullehrer in Ahlhorn.
Frage: Herr Rykena, die Meldeportale der AfD stoßen auf heftige Kritik. Was halten Sie als Lehrer davon?
Rykena: Ich merke, dass viele Lehrerkollegien zu einem großen Teil AfD-kritisch eingestellt sind. Uns erreichen immer wieder Hinweise, dass sich das auf den Unterricht auswirkt. Ich halte das für rechtlich bedenklich. Die AfD sieht sich deshalb vor der Situation, dass sie etwas dagegen unternehmen möchte.
Frage: Auch in Niedersachsen?
Rykena: Ja, das haben wir in dieser Woche in einer Fraktionssitzung beschlossen. Die Hamburger AfD-Fraktion hat eine Vorlage geliefert, die wir auf niedersächsische Verhältnisse umstellen werden.
Frage: Wie schnell soll das gehen?
Rykena: Noch dieses Jahr.
Frage: Was soll da gemeldet werden?
Rykena: Da wird nichts vorgegeben. Wir nennen es auch nicht Meldeportal, sondern Informationsportal. Viele Eltern und Schüler, auch Lehrer, sind sich der Rechtslage nicht bewusst. Wir wollen aufzeigen, wo die Grenzen sind und wo sie überschritten werden. Die Landesschulbehörde hat übrigens eine Beschwerdeseite im Internet – genau das, was man der AfD jetzt vorwirft. Darauf wollen wir in unserem Informationsportal auch hinweisen.
Frage: Kritiker sehen die AfD- Initiative als Aufforderung zur Denunziation und verweisen auf entsprechende düstere Beispiele in der deutschen Geschichte. Wie sehen Sie das?
Rykena: Denunziation geschieht aus niedrigen Beweggründen, das ist hier nicht die Grundlage. Wir wünschen uns, dass im Unterricht das Parteiprogramm der AfD genauso wie alle anderen behandelt wird. Das geschieht vielfach nicht. Es gibt Unterrichtsmaterialien, in denen relativ exotische Aussagen, die gar nicht ins Programm gekommen sind, thematisiert werden. Das macht man mit keiner anderen Partei.
Frage: Die AfD-Fraktionschefin im Landtag, Dana Guth, will das Portal nach eigenen Angaben „da einsetzen, wo die Neutralität der politischen Korrektheit geopfert wird“. Ist politische Korrektheit für die AfD ein Negativbegriff?
Rykena: Eindeutig. Politische Korrektheit bedeutet, dass es Tabus gibt, über die man nicht spricht. Sie wird als Kampfinstrument eingesetzt, um den politischen Diskurs zu lenken.
Frage: Ein anderes Zitat: Ihr Bundesvorstandsmitglied Steffen Königer nennt als Beispiel für einen Verstoß „einseitig vermittelte Betrachtungsweisen zu Themen wie … dem angeblich menschlich gemachten Klimawandel“. Muss ein Lehrer jetzt, wenn er den Schülern erklärt, dass Industrialisierung und Motorisierung den Klimawandel entscheidend befördert haben, mit einer Meldung rechnen?
Rykena: Da bewegen wir uns im Grenzbereich. Es gibt aber – selbst unter Klimaforschern – andere Meinungen, dass nämlich der Klimawandel nicht menschengemacht sei. Verpflichtung der Schule ist es, Schüler über diese Zweifel zu informieren.
Frage: Dann versuche ich es mal mit diesem Zitat: Das Holocaust-Mahnmal in Berlin sei „ein Denkmal der Schande“ hat der AfD-Politiker Björn Höcke gesagt – er ist Gymnasiallehrer. Wäre so ein Satz, wenn er im Unterricht fiele, auch ein Fall fürs Meldportal?
Rykena: Grundsätzlich geht es darum, dass Lehrer, wenn sie ihre eigenen politischen Ansichten im Unterricht wiedergeben, verpflichtet sind, auch gegenteilige Sichtweisen darlegen. Selbstverständlich kann darüber diskutiert werden. Aber es muss ausgewogen dargestellt werden. Dabei sollte man das Höcke-Zitat auch nicht, wie gerade geschehen, aus dem Zusammenhang reißen.

Bildquellen

  • feedback-1311638_1280: pixabay.com

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