Schreiben von Kultusminister Tonne zum Thema Online-Meldeportal

Berichterstattung zu sogenannten Online-Meldeportalen

Sehr geehrte Lehrerinnen und Lehrer, sehr geehrte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Schulen,

aktuell gibt es – auch in Niedersachsen – diverse Ankündigungen der AfD, ein sog. InternetPortal einrichten zu wollen. Über dieses sollen Schülerinnen und Schüler der AfD potentiell oder vermeintlich problematische Verhaltensweisen ihrer Lehrkräfte anzeigen können. Das angekündigte „Lehrer-Meldeportal“ ist ein nicht hinnehmbarer Versuch, Unruhe in die Schulen zu tragen und Sie als Lehrkräfte bei der Erfüllung Ihrer Dienstaufgaben zu beeinträchtigen. Durch das Schüren von Unsicherheit unter den Lehrkräften soll eine kritische Auseinandersetzung mit gesellschaftspolitischen Themen in Unterricht und Schule offenkundig verhindert werden.

Lassen Sie es mich vorwegnehmen: Wenn über die Grundpfeiler unserer Demokratie diskutiert wird, wenn Menschenfeindlichkeit, Rassismus, Populismus und „Fake News“ die öffentlichen Debatten beherrschen, ist eine Behandlung dieser Themen in Schule ausdrücklich geboten.

Aus diesem Anlass möchte ich Sie über Inhalt und Grenzen des Neutralitätsgebots aus Sicht der Landesregierung informieren:

Sich religiös und weltanschaulich neutral sowie parteipolitisch neutral zu verhalten, gehört zu den grundlegenden gesetzlichen Pflichten von Lehrkräften. Das Neutralitätsgebot ist ein hohes Gut, es spielt bei der Erfüllung des Bildungsauftrags eine wesentliche Rolle. Deshalb wird es von den Lehrkräften und den Mitarbeitenden in Niedersachsens Schulen auch wertgeschätzt und im Rahmen des Unterrichts verantwortungsvoll umgesetzt.

Die für Lehrkräfte geltende Neutralitätspflicht bedeutet aber keineswegs, dass diese sich jeder politischen Äußerung zu enthalten haben – Neutralität bedeutet die Verpflichtung zu „Toleranz und Mäßigung“, nicht aber einen Verzicht auf jede politische oder sonstige wertgebundene Stellungnahme. Dieser Aspekt wird in der öffentlichen Debatte geradezu verdreht.

Ich betone erneut: Eine kritische Auseinandersetzung mit kontroversen Diskussionen in Politik und Gesellschaft ist gewollt. Als einziger Ort, an dem alle Kinder und Jugendlichen erreicht werden können, kommt der Schule bei der Demokratiebildung eine hohe Verantwortung und Gestaltungsmöglichkeit im Sinne der Umsetzung des § 2 des Niedersächsischen Schulgesetzes zu. Dazu gehören kritische Auseinandersetzungen mit Rassismus, Ausgrenzung, gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und Attacken auf die demokratische Grundordnung. Das widerspricht nicht dem Neutralitätsgebot, sondern ist Aufgabe von Schulen und Lehrkräften.

Im Jahr 2019 werden wir weitere konkrete Maßnahmen zur Stärkung und Vertiefung des neuen bildungspolitischen Schwerpunktes „Demokratiebildung an Schulen“ in Niedersachsen starten. Neben der Erarbeitung eines Grundsatzerlasses „Demokratiebildung“ als grundlegende Orientierung für niedersächsische Schulen werden wir das Netzwerk „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ stärken und Kinderrechte- sowie Friedensschulen ausbauen.

Ihnen als Lehrkräfte und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Niedersachsens Schulen gebührt mein Vertrauen. Sollte es Probleme an den Schulen geben, stehen Ihnen in Niedersachsen bereits etablierte Beratungs- und Unterstützungsverfahren zur Verfügung. Deshalb werden wir der AfD-Misstrauenskampagne gegen unsere Lehrkräfte auch in Zukunft deutlich und laut widersprechen!

Ein praktischer Hinweis noch: Unserer Einschätzung nach ist datenschutzrechtlich davon auszugehen, dass die Fraktion der AfD personenbezogene Daten von Lehrkräften erhebt und verarbeitet, die die politische und weltanschauliche Haltung einer Lehrkraft betreffen. Solche Informationen sind nach Art. 9 EU-Datenschutz-Grundverordnung als besondere Kategorien personenbezogener Daten geschützt, ihre Verarbeitung ist grundsätzlich untersagt. Die engen Ausnahmen sind nicht einschlägig. Insbesondere kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Verarbeitung aus Gründen eines erheblichen öffentlichen Interesses erforderlich ist. Ein solches öffentliches Interesse der Fraktion der AfD daran, solche Daten zu erheben und zu sammeln, genügt nicht. Sofern über das AfD-Portal personenbezogene Daten über Sie erhoben und verarbeitet werden, haben Sie einen Löschungsanspruch aus Art. 17 EU-Datenschutz-Grundverordnung.

Seien Sie versichert, dass Sie bei der verantwortungsvollen Wahrnehmung Ihrer dienstlichen Aufgaben, die Sie tagtäglich an unseren Schulen mit großem Einsatz und Engagement erfüllen, mein volles Vertrauen sowie meine volle Rückendeckung haben. Ich bitte Sie darum, dass Sie Ihre Schülerinnen und Schüler auch in Zukunft im Unterricht dazu anleiten, sich reflektiert und kritisch mit den Herausforderungen der jeweiligen gesamtgesellschaftlichen und politischen Situation auseinanderzusetzen, um sie zu mündigen und kritischen Bürgerinnen und Bürgern zu erziehen.

Vielen Dank für Ihre wertvolle Arbeit.

Mit freundlichen Grüßen

Grant Hendrik Tonne

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